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Erinnerungsmal zum Vertrag von Vinnbrück

 erinnerungssttte

Einweihung der Erinnerungsstätte am 30.06.2013

1. Vorbemerkung
Im Zuge des „Limburger Erbfolgestreites“ trafen sich am 16. August des Jahres 1284 der Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg und Graf Reinald I. von Geldern in der Schanze von „Vennebrucke“.

Ausgelöst hatte den Streit Graf Adolph V. von Berg. Er machte Rainald von Geldern die Übertragung des frei gewordenen Limburger Lehens streitig und verbündete sich zur Durchsetzung seines Anspruches mit Herzog Johann von Brabant. Das war ein schwerer Affront gegen den Landesherrn, Erzbischof Siegfried, der diese Lehensübertragung an Graf Rainald befürwortete. Der Erzbischof gewährte dem Grafen von Geldern deshalb seine Rückendeckung im Vertrag von Wanlo (1283), konnte damit aber eine weitere Eskalation der Lage nicht verhindern. So kam es zum Treffen von Vinnbrück, in dessen Verlauf Graf Rainald seinerseits die Verpflichtung übernahm, „Erzbischof Siegfried gegen alle seine Feinde beizustehen“. Das Abkommen ging als Vertrag von Vinnbrück in die Annalen ein. Einen Schlusspunkt in dem Streit setzte die folgenreiche Schlacht von Worringen (1288), in der die Partner von Vinnbrück eine unerwartete Niederlage hinnehmen mussten.

Die große Schanze von Vinnbrück lag an einem strategisch wichtigen Punkt der alten Kölner Heeresstraße. Sie markierte an dieser Stelle zugleich den Grenzübergang zwischen dem damaligen Erzstift Köln und der Grafschaft Geldern. Graf Otto II. von Geldern hatte die unvollendete Befestigungsanlage in der ersten Hälfte des 13.Jh. errichten lassen.

Anlässlich der 725-Jahrfeier zum Abschluß des Vertrages von Vinnbrück regte der Kempener Bürgermeisters Karl Hensel den Bau einer Erinnerungsstätte am originalen Ort des Geschehens an. Im Auftrag des Tönisberger Heimatvereins wurde das Vorhaben im Jahre 2013 in enger Abstimmung mit der Stadt Kempen ausgeführt.

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Bild Erinnerungsmal mit Reliefdarstellung (Aufnahme: Hans Krudewig 2013)

Die Topografie rund um die Schanze hat sich seit ihrem Bau im 13.Jh. stark verändert. Der ehemals ausgeprägte Sumpfcharakter der Landschaft ist nahezu verschwunden, die einstigen Befestigungswälle sind bis auf geringfügige Reste abgetragen (siehe Bild unten). Der Ausbau der ursprünglich mittig durch die Schanze verlaufenden Heeresstraße ging einher mit einer Anhebung des Fahrbahnniveaus um ca. 2 m. Die Linienführung wurde dabei leicht nach Osten verschoben. Bereits vor dem Landwehrkanal knickt die Straße heute in einem weitausholenden Bogen vor dem Höhenrücken nach Nordwesten ab. Ein längerer Rohrdurchlass verdeckt dabei weitgehend den unscheinbar gewordenen Wasserlauf.

Das Erinnerungsmal aus Feldbacksteinen mit eingelegtem Relief zeigt das historische Treffen der beiden Regionalherrscher. Der Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg (links) und Graf Rainald I. von Geldern (rechts) bekräftigen durch Händedruck die soeben ausgestellte Vertragsurkunde. Die Hauptpersonen und das Gefolge sind u. a. kenntlich an ihren jeweiligen Wappen:

Siegfried von Westerburg (Erzstift Köln): Schwarzes Kreuz auf weißem Grund;
- Rainald I. von Geldern: Goldener Löwe mit roten Krallen auf blauem Grund;
- Gottfried, Herr von Hüls (Gefolgsmann Siegfrieds): Rote Seerose auf weißem Grund;
- Dietrich III., Herr von Moers (Gefolgsmann Rainalds): Schwarzer Querbalken auf goldenem Grund.

Im Hintergrund stehen die für die Dauer des Aufenthaltes in Vinnbrück aufgeschlagenen Herrschaftszelte. Am Bildrand erkennt man die Palisadenbefestigung der Schanze. Darüber spannt sich die Silhouette des Tönisberg-Schaephuysener Höhenzuges.

Das Relief wurde vom Tönisberger Paul Lutz Weynans mit Keramikplatten aus bleiglasierter Irdenware erstellt. Die farbige Ausführung erfolgte mit Ton-Engoben in Sgraffitto-Ritztechnik. Diese Art der Verzierung von Irdenware hat in Tönisberg eine lange Tradition, die in das 17. Jh. zurück reicht.


2. Der Vertrag von Vinnbrück und seine Folgen

2.1 Der Vertrag
vertrag von vennebrucke 1
Originalurkunde des Vertrages von Vinnbrück; aufbewahrt im Kölner Stadtarchiv unter Domstift
Urkunde I / 445; Aufnahme: Stadtarchiv Köln 2008
Wenige Monate nach der Erstellung dieser Aufnahme stürzte das Gebäude des Historischen Stadtarchivs der Stadt Köln ein (am 06. März 2009) und begrub alle vorhandenen Bestände unter seinem Schutt. Auf Anfrage des Heimatvereins Tönisberg erhielt dieser nunmehr unter dem Datum des 29. 08. 2016  die erfreuliche Nachricht vom Historischen Archiv, dass die Urkunde zum Vertrag von Vinnbrück als geborgen und in gut erhaltenem Zustand befindlich identifiziert werden konnte. Nach „Behebung der vergleichsweise geringen Schäden“ wird sie in Zukunft wieder zur Nutzung zur Verfügung stehen

Der nachfolgende lateinische Text wurde von Th. Jos. Lacomblet im 19. Jh. aus der gotischen Kursive des Originals in ein heute gebräuchliches Schriftbild übertragen und im „Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins II“, Düsseldorf 1846, Nr. 793, S. 476, veröffentlicht. Eine Kurzfassung des Textes in deutscher Sprache ist dieser Veröffentlichung voran gestellt (aufbewahrt im Staatsarchiv NRW).

Wiedergabe des Vertragstextes nach Lacomblet:
Reinald, Graf von Geldern u. Herzog v. Limburg, verbündet sich mit Erzbischof Sifrid v. Cöln gegen den Herzog Johann v. Brabant, den Grafen Adolph v. Berg, dessen Bruder Heinrich v. Windeck und den Grafen Everhard v. der Mark; und erklärt, wie es mit seinen nächsten Verwandten, womit der Erzbischof zu Kriege kommen könnte, zu halten sey. – 1284, den 16. August.

“Nos Reynaldus comes Gelrensis, dux Limburgensis, notum esse cupimus uniuersis, quod nos cum reuerendo patre domino nostro Sifridi s. Coloniensis ecclesie archiepiscopo, sacri imperii per  ytaliam  archicancellario, specialis federis iniuimus unionem. Ita videlicet, quod nos eundem dominum nostrum.. archiepiscopum iuvabimus et eidem assistemus contra quoscumque suos inimicos, et specialiter contra nobiles viros dominem Johannem Brabantie ducem, Adolphum comitem de Monte et Henricum de Windeche, fratrem suum, ac Everhardum comitem de Marca, potenter et  patenter, toto posse nostro et sub expensis nostris, quoad vixerimus, quandocumque et quotienscumque idem archiepiscopus nos duxerit requirendos, domino nostro romanorum rege duntaxat excepto. Inter nos etiam est condictum, quod si  eundem dominum nostrum guerram contra nostros consanguineos nobis in secundo vel in tertio gradu coniunctos habere contigerit, nos eidem in defensione terre sue assistemus, ut superius est expressum. Verum si idem dominus noster auxilium nostrum contra aliquem de consanguineis nostris predictis ad intrandum terram dicti  consanguinei  nostri requisierit et voluerit habere, tunc ex condicto speciali posse habebimus a domino nostro…

archiepiscopo cognoscendi et dicendi ius inter ipsos, et tenebuntur stare dicto nostro hinc et inde; quod  si aliquis de consanguineis nostris predictis  acquiescere nollet et dicto nostro stare recusaret, ipsum dominum nostrum…

archiepiscopum iuvabimus et eidem assistemus contra nostros consanguineous predictos, intrando terras eorum et districtus cum domino nostro … archiepiscopo memorato. Super quo presens scriptum eidem dedimus sigillo nostro communitum, et simile recepimus ab eodem sub eadem forma.

Actum et datum apud Vennebrucke anno d. M.CC.LXXX. quarto, in crastino assumptionis b. Marie virginis”.


Nachstehend ist für interessierte Leser der vollständige Vertragstext in deutscher Sprache wiedergegeben. Die sich wiederholenden Adelstitel und die Aneinanderreihung weitgefächerter Nebensätze verleihen ihm eine auffallende Weitschweifigkeit, wie in mittelalterlichen Urkunden üblich.

„Wir Rainald Graf von Geldern, Herzog von Limburg,
geben jedermann kund und zu wissen, dass wir mit unserem ehrwürdigen Vater und Gebieter Siegfried, Erzbischof seiner Kölner Kirche, Erzkanzler des heiligen Reiches für Italien, ein besonderes Bündnis eingehen.

Wir haben darin verbindlich bestimmt, dass wir unserem Gebieter Siegfried, Erzbischof seiner… gegen alle seine Feinde, welche auch immer, und besonders gegen die adeligen Herren Herzog Johann von BrabantGraf Adolf von Berg und seinen Bruder Heinrich von Windeck sowie den Grafen Everhard von der Mark nach Kräften und bis zuletzt mit aller Macht und unserem ganzen Vermögen beistehen, solange wir leben und sooft unser Gebieter… das von uns verlangt und uns führen wird, mit Ausnahme allerdings gegen unseren hohen Gebieter, den römischen König.

Unter uns gilt auch als abgesprochen, dass im Falle eines Krieges, den unser Gebieter gegen unsere Verwandten, gleichgültig ob wir mit ihnen zweiten oder dritten Grades verbunden sind, Krieg führt zur Verteidigung seines Landes, wir ihm in gleicher Weise beistehen, wie zuvor zum Ausdruck gebracht. Wenn nun aber unser Gebieter gegen irgend einen der erwähnten Verwandten, wer es auch immer sei, unsere Hilfe anfordert, um in dessen Territorium einzudringen, um dieses für sich zu beanspruchen, werden wir von unserem Gebieter, dem Erzbischof..., kraft besonderer Vereinbarung das Recht in Anspruch nehmen, uns mit diesen Verwandten vorher austauschen und sie ansprechen zu können.

Dabei gilt, dass wir zu dem zuvor von uns Gesagten immer stehen werden. Wenn einer der vorgenannten Verwandten keine Ruhe geben will und sich weigert, unseren Vorschlägen zu folgen, werden wir selbstverständlich unseren Gebieter, den Erzbischof.., unterstützen und ihm beistehen gegen unsere vorgenannten Verwandten. Das geschieht in enger Abstimmung mit ihm, sobald unser Gebieter, der erwähnte Erzbischof…, in deren Territorien eindringt.

Abschließend überreichen wir ihm das vorliegende, gemeinsam erarbeitete Schriftstück mit unserem Siegel und empfangen dasselbe von ihm in gleicher Form.

Aufgestellt und gegeben zu Vennebrucke, im Jahre des Herrn 1284, am Tag nach Mariä Himmelfahrt“ (16.August).


2.2 Der Limburger Erbfolgestreit (1283–1288
)
Die Auseinandersetzung um die Erbfolge des Herzogstums Limburg fiel in die Spätzeit des Hochmittelalters. Unter den Menschen breitete sich ein neues Lebensgefühl aus. Die Gotik mit ihren herausragenden Leistungen in Kunst und Architektur erreichte einen Höhepunkt. Das Wachstum der Bevölkerung nahm sprunghaft zu. Gleichzeitig verbreitete sich ein Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit, der überkommene politische Fesseln sprengte und sich über ganz Westeuropa verbreitete. Der Limburger Erbfolgestreit, der den Vertrag von Vinnbrück auslöste, war ein Spiegelbild dieser Aufbruchstimmung.

Der deutsche König Rudolf von Habsburg hatte Irmgard von Geldern das Limburger Lehen ihres Vaters im Juni 1282 übertragen mit der Maßgabe, dass ihr Gemahl Rainald nach ihrem Ableben bis zu seinem Tode das Nießbrauchrecht weiterhin beanspruchen dürfe. Als das Ereignis unerwartet schnell im Dezember 1282 eintrat, war Graf Adolf VI. von Bergh, der ranghöchste Erbe nach Irmgard, nicht bereit, die getroffene Regelung des Königs anzuerkennen. Er musste jedoch schnell einsehen, dass ohne die Zustimmung seines Landesherrn Siegfried von Westerburg der Anspruch auf das Limburger Erbe nicht durchzusetzen war. So suchte er zur Wahrung seines vermeintlichen Rechtes einen starken Verbündeten. Er fand ihn in dem mächtigen Herzog Johann von Brabant und Lothringen, der eigene Interessen auf der östlichen Maasseite verfolgte. Im weiteren Verlauf des Streites sah Graf Adolph sich genötigt, das Limburger Erbrecht an Johann von Brabant zu übertragen.

Erzbischof Siegfried konnte das gegen ihn gerichtete Komplott nicht tatenlos hinnehmen. Graf Adolf von Bergh hatte mit seiner Bündnisvereinbarung sowohl einen Treuebruch begangen als auch im Zentrum der bischöflichen Macht eine bedrohliche strategische Situation geschaffen. Der Erzbischof glaubte, die Lage beruhigen zu können, indem er Graf Rainald Rückendeckung durch ein Schutzbündnis im Vertrag von Wanlo gewährte (23. Sept. 1283).

Herzog Johann von Brabant ließ sich davon nicht beeindrucken. Er dehnte seine Nadelstichtaktik mit Raubüberfällen auf geldrische Gebiete weiter aus und bezog nun auch erzbischöfliche Liegenschaften in die Plünderungszüge ein. Erzbischof Siegfried war zu weiterem Handeln gezwungen. Er drängte Rainald zum Abschluss einer Verpflichtung auf Gegenseitigkeit, um ihn fester an sich zu binden. Graf Rainald befand sich damit in einer misslichen Lage. Bedrängt in höchster Not, konnte er dem Ansinnen des wichtigsten Verbündeten nicht ausweichen, obwohl er damit die eigene Handlungsfreiheit in verhängnisvoller Weise einschränkte. Der Vertrag von Vinnbrück wurde abgeschlossen.

Die Gegenseite nahm dieses Bündnis ebensowenig zur Kenntnis wie ein Jahr zuvor das Schutzbündnis von Wanlo. Johann zermürbte Rainald weiter durch ständige Raubüberfälle und bemühte sich um Verstärkung seines Lagers durch Gleichgesinnte. Alle wohlmeinenden Versuche einer Schlichtung von neutraler Seite - auch von König Rudolf - schlugen fehl.

Das Bündnis unter Johann von Brabant, mit dem die Stadt Köln als Handelspartner sympathisierte, verfolgte das alleinige Ziel, die Macht des erzbischöflichen Landesherrn endgültig zu brechen. Sie wollten frei werden von Zöllen, Steuerlasten und den lästigen Verpflichtungen des Vasallendienstes. Johann selbst ging es vornehmlich darum, mit der Übernahme des Herzogtums Limburg den Brückenschlag über die Maas vollziehen zu können. Es wurde mit zunehmender Dauer des Streites klar, dass eine Entscheidung nur auf dem Schlachtfeld herbeigeführt werden konnte. Herzog Johann wartete den geeigneten Zeitpunkt dazu ab.


2.3 Die Schlacht von Worringen (1288)
Im Mai 1288 resignierte Graf Rainald von Geldern angesichts der nicht endenden Plünderungszüge durch den Brabanter Herzog in seinen Südgebieten. Die Verluste an Menschen und Gütern überstiegen im Frühsommer 1288 jedes erträgliche Maß. Er verzichtete in Absprache mit dem Erzbischof zugunsten des Grafen von Luxemburg auf das verbriefte Limburger Lehen. Aber auch dieser letzte Verzweiflungsschritt Rainalds konnte die Verbündeten unter Herzog Johann nicht mehr umstimmen. In den Morgenstunden des 5. Juni 1288 standen sich die streitenden Parteien im Vorfeld der erzbischöflichen Burg von Worringen in geordneter Aufstellung gegenüber. Es sollte eine der blutigsten Schlachten des Jahrhunderts werden. Aufgeboten waren ca. 10 000 Mann, bestehend aus Rittern, deren Knappen, Reisigen und Hilfstruppen. Die Bischofsgetreuen erkämpften sich zunächst durch einen mutigen Sturmangriff eine günstige Ausgangslage. Diese wurde im Anschluss allerdings durch strategische Fehler schnell verspielt. Trotz großer Tapferkeit und kämpferischen Einsatzes ging die Schlacht am Ende für die Vertragspartner von Vinnbrück verloren. Sie gerieten beide in Gefangenschaft. Zahlreiche ihrer Bündnisgenossen – wie die beiden Luxemburger Grafen (Vater und Sohn) - fielen im Kampfe. Die Gegner erfochten einen glänzenden Sieg, der die notwendige Handlungsfreiheit zur Umsetzung ihrer Pläne bot. Im Ergebnis führte die Schlacht zu den „bedeutendsten politischen Veränderungen des Spätmittelalters im gesamten nordwestdeutschen Raum“ (Hugo Stehkämper).

Der Erzbischof büßte seine herausgehobene Stellung als territorialer Heerführer und Landesherr ein. Er wurde auf den unmittelbaren Besitz des Erzstiftes zurück geworfen, der immer noch bedeutend genug blieb, nicht zuletzt in der Funktion als Kurfürstentum. Der repräsentative Bischofssitz in der Stadt Köln musste geräumt werden, die Residenz wurde ab sofort nach Bonn verlagert. Das umstrittene Herzogtum Limburg fiel endgültig an Johann von Brabant. Stark geschwächt ging die Grafschaft Geldern aus dem über fünf Jahre währenden und schließlich verlorenen Limburger Streit hervor. Die Raubüberfälle Herzog Johanns auf seine Territorien sowie der Freikauf aus der Gefangenschaft stürzten Graf Rainald in eine schwerwiegende Finanzkrise. Eine Ausdehnung Gelderns nach Süden hatte sich endgültig erledigt Erst unter dem Nachfolger Rainald II. gelang es Jahrzehnte später, wenigstens die schwere finanzielle Hypothek des Vaters abzuschütteln. Geldern blieb dennoch von nun an im Focus fremder Großmächte, aus deren Umklammerung es sich bis zum Verlust der Selbständigkeit im 16. Jh. nicht mehr befreien konnte.

Alle an der Schlacht von Worringen beteiligten Feudalherren erlangten sowohl als Sieger wie auch Besiegte die Unabhängigkeit vom ehemaligen Landesherrn. Es war die Geburtsstunde des Rheinischen Partikularismus. Besonders hervorzuheben ist die altehrwürdige Stadt Köln, die auf der Siegerseite mit gefochten hatte. Auch sie wurde frei von obrigkeitlicher Bevormundung und erlebte eine große Blütezeit in den folgenden Jahrhunderten.

Die alten Lehensgrenzen gewannen für die selbständig gewordenen Regionalherren eine veränderte Bedeutung. Für sie galt es, die gewonnene Unabhängigkeit zu wahren. Sie sicherten ihre jeweiligen Grenzregionen durch umfangreiche Befestigungen. Zur besseren Kontrolle richtete man in grenznahen Gebieten neue Verwaltungsstellen ein. Bis dahin weniger bekannte Flecken wie Kempen und Düsseldorf erhielten im Zuge dieser Umgestaltung Stadtrechte und wuchsen rasch zu wichtigen Unterzentren heran.

Eine nicht zu unterschätzende Folgewirkung hatte der Limburger Erbfolgestreit in den zum Heiligen Römischen Reich gehörenden Gebieten der heutigen Nachbarländer Holland und Belgien. In beiden Ländern trägt heute je eine Provinz symbolhaft die Bezeichnung „Limburg“. Der Name steht für die Bewahrung der völkischen Eigenart in diesen Gebieten. Der unvergessene Ausgangspunkt für die im 19. Jh. endgültig erreichte Unabhängigkeit blieb der Sieg gegen den mächtigen bischöflichen Landesherrn im Streit um das im 13. Jh. politisch eher unbedeutende Herzogtum Limburg.


3. Die Schanze

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Bild 3: Luftbild Vinnbrück mit eingezeichnetem Schanzenumriss und Ortsgegebenheiten im 13. Jh.;
Aufnahme: Blom Deutschland GmbH, Entwurf: Stephan Schlütter, grafische Bearbeitung: Christian Maiwald 2012/13

Die Schanze von Vinnbrückim Volksmund als Stadt an der Vinnbrück bekannt, war mit ca. 8 ha die größte ihrer Art am Niederrhein. Die ursprüngliche Bestimmung galt vermutlich der Errichtung eines befestigten Adelssitzes der Grafen von Geldern mit geschlossener Hofansiedlung, eine Art landesherrliche Burgstadt also (Frankewitz). 

Die strategische Lage mit dem Straßenkreuz an der Kölner Heeresstraße war für Graf Otto II. von Geldern und Zutphen (1229 – 1271) Anlass genug, an diesem wichtigen Grenzpunkt eine ausgedehnte Befestigungsanlage zu errichten. Die Sumpffläche vor dem Tönisberger Höhenrücken bot dazu hervorragende natürliche Voraussetzungen. Eine aus der Sumpflandschaft herausragende Trockenfläche wurde eingeebnet und durch Auffüllung mit Füllmaterial vom angrenzenden Moränenrücken erweitert. Das zulaufende Wasser aus dem Flöthbach sicherte den gleichbleibenden Wasserstand für die Schutzgräben. Dazu musste der in einem spitzen Winkel auf die Ostumwallung auftreffende Flöthbach zu einem Staugewässer (Mühlenrahm) erweitert werden. Das erforderliche Wehr wurde auf der Nordseite der Schanze angelegt und lieferte zugleich Wasserkraft für den Antrieb einer Wassermühle. Flurnamen in der Umgebung und die Gewässerbezeichnung selbst stützen diese Annahme, die leider nicht durch schriftliche Zeugnisse belegt ist. Für die Versorgung einer größeren Hofansiedlung zur damaligen Zeit war jedoch der Betrieb einer eigenen Mühle unabdingbar. Das überströmende Wasser aus dem Wehr wurde in die Gelderner Landwehr geleitet, die damit ihren Ursprung an dieser Stelle nahm.  

Die Innenausstattung der Schanze beschränkte sich vermutlich auf eine kleinere Holzburg mit einem Burgfried (s. Buyx , Loewe und Frankewitz) in der südöstlichen Ecke. Die Existenz eines Berfes (Fluchtburg) ist schriftlich bis in die frühe Neuzeit nachgewiesen (s. Buyx). Politische Umbrüche und damit verbundene Interessensverlagerungen in der Regierungszeit Ottos II dürften den Ausbau der Schanze unterbrochen und schließlich sogar gänzlich unterbunden haben. Spätestens nach der verlorenen Schlacht von Worringen war die Errichtung einer gräflichen Burgstadt unmittelbar an der Grenze obsolet geworden. Man unterstützte vielmehr den Bau neuer Sicherungsanlagen (z. B. befestigte Rittersitze und Höfe) im nahen Hinterland. Dennoch erfüllte das Schanzengelände einen vielfachen Nutzen. Es wurde als bewachter Grenzübergang, als verkehrsgünstig gelegener Treffpunkt für herrschaftliche Begegnungen, als Ruheplatz für Durchreisende und als öffentliches Weideland (Allmende) genutzt. Auflaufende Hochwässer konnten durch den Stausee zunächst zufriedenstellend reguliert werden. Die verheerende "Magdalenenflut" im Juni 1342 zerstörte die Anlage weitgehend (s. Tönisberger Heimatblätter Heft 17-Jahrgang 2015, Seite 29).

Erwähnenswert bleiben noch der Ausbau der Gelderner Ringlandwehr unter preußischer Administration im 18. Jh., der nunmehr einen Teil des Flöthbachzuflusses nach Osten ablenkte, sowie der Verkauf des Schanzengeländes an Privatbesitz unter französischer Verwaltung um die Wende zum 19. Jh. 

Mittig durch die Schanzenanlage verlief die wichtige Kölnische Heerstraßedie in Neuß von der Römerstraße abzweigte und über Geldern nach Nimwegen führte. An den Walldurchbrüchen war sie durch Schlagbäume auf der Südseite und durch ein Brückentor auf der Nordseite gesichert. Den Grenzverlauf zwischen dem Kölner Erzstift (später Kurköln) und der Grafschaft Geldern (später Herzogtum Geldern) bildeten das Staugewässer und das an die Schanze nach Südwesten angrenzende Sumpfgelände. Das Erzstift errichtete im Zuge der politischen Neuordnung nach der Schlacht von Worringen unterhalb von Koker ein eigenes Schutzsystem mit einer parallel verlaufenden Landwehr und dem Vinnbrücksbaum als Durchlasspunkt an der Heeresstraße. 

Die „Kleine Eiszeit“ (1300 – 1800) veränderte das Klima in Mittel - und Westeuropa dramatisch und damit auch die allgemeine Niederschlagsmenge. Der Wasserzufluss aus dem Hülser Bruch verminderte sich zusehends. Der Betrieb der Wassermühle musste aus diesen Gründen wahrscheinlich bereits um 1400, die Fischzucht im Mühlenrahm etwa um die Mitte des 16. Jh. aufgegeben werden (s. Buyx). Es ist davon auszugehen, dass die Schanze gegen Ende des 16. Jh. ihren Befestigungscharakter vollständig verlor. Die Wallgräben konnten nicht mehr ausreichend mit Wasser gefüllt werden und so erübrigte sich auch deren Pflege. In den weiteren Jahrhunderten verflachte die Umwallung mangels Nachsorge. In den 30iger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde sie schließlich bis auf geringfügige Reste eingeebnet. Die noch sichtbaren Bodenwellen in der südöstlichen Ecke (s. vorstehende Skizze) konnten im Jahre 2011 als Bodendenkmal eingetragen und damit für die Nachwelt als Orientierungspunkt erhalten werden.

 

Literatur:
1. „Der Name der Freiheit 1288 - 1998“,
Aspekte Kölner Geschichte von Worringen bis heute, Stadt Köln, 1988
2. „Der Reichsbischof und Teritorialfürst“,
Hugo Stehkemper, 1986, in „Der Bischof in seiner Zeit“, Festgabe für Josef Kardinal Höffner, Erzbischof von Köln.
3. „Geschichte der Stadt und des Amtes Geldern“,
 
Friedrich Nettesheim, 1863, Neuauflage 1963 von Butzon & Bercker, Kevelaer
4. „Der Tag von Worringen, 5. Juni 1288“,
Wilhelm Janssen, Hugo Stehkämper, 1988, Staatsarchiv NRW
5. „Der Limburger Erbfolgestreit, Vinnbrück und die 
Schlacht von Worringen (1288)“,
Aloys Schlütter, 2008, in Tönisberger Heimatblätter , Heft 10
6. „Der Vertrag von Vinnbrück“,
Stefan Frankewitz, 2009, in Tönisberger  Heimatblätter, Heft 12
7. † Michael Peter Buyx: „Die Stadt an der Vinnbrück“; 
Heimatbuch des Landkreises Kempen-Krefeld,1966.
8. „Archäologische Funde und Denkmäler des Rheinlandes“, Band 3, Seiten 276, 277; Gudrun Loewe 1971, Düsseldorf, Rheinland Verlag
9. Zur Geschichte der Tönisberger Mühlen“,
Erhard Louven, 1999, in Tönisberger  Heimatblätter, Heft 1
10. „Gedanken rund um die Wassermühle und die Schanze 
von Vinnbrück“, Aloys Schlütter, 2012, Tönisberger Heimatblätter, Heft 14
11. "Die Wassermühle von Vinnbrück und das Magdalenenhochwasser 1342" ,
Aloys Schlütter, 2015, Tönisberger Heimatblätter, Heft 17